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Clubhaus der Zivilgesellschaft: Anlauf in Neu-Ulm

Vision | 1. September 2022

Presse-Echo in der Südwestpresse Ulm (unten links) und der Neu-Ulmer Zeitung am 27.8.2022

Das Clubhaus der Zivilgesellschaft, ein Systemkonzept des Forum für Entwerfen e.V., wird erstmals in die politische Debatte um die kommunale Realisierung eingebracht. Ort des Geschehens ist der Stadtrat Neu-Ulm …


Die Fraktion der FWG Freie Wähler Gemeinschaft brachte am 22.8.2022 im Stadtrat Neu-Ulm den Antrag ein, die Fläche des ehemaligen Donau-Casinos in Neu-Ulm (Paulstraße 4) als „Fläche für Gemeinbedarf“ auszuweisen.

Das Bürgerschaftliche Engagement voranbringen
Bestandteil des Antrags der FWG Neu-Ulm ist das Impuls-Modell „Clubhaus der Zivilgesellschaft“. Es soll Grundlage für die Ausweisung und Fixierung der Nutzung auf Gemeinbedarf sein. Die Begründung: „Eine Einrichtung wie das Clubhaus der Zivilgesellschaft hat das Potential das bürgerschaftliche Engagement entscheidend voran zu bringen.“

Das Clubhaus der Zivilgesellschaft
Das Clubhaus der Zivilgesellschaft ist ein soziokulturelles Modell des Forum für Entwerfen e.V.. Es basiert auf Methoden des Social Design.

Es ist als organisatorischer Knotenpunkt und symbolisches Zentrum der regionalen Zivilgesellschaft angelegt:

1. Das Clubhaus wird ein örtliches Zentrum für alle zivilgesellschaftlichen und bürgerschaftlichen Vereine und Initiativen der Region sein, von kleineren Clubs bis zu sehr großen Organisationen, von humanitären Einrichtungen und Citizen Science Vereinigungen über Gesangsvereine bis zu Initiativen pro Umwelt und andere, die praktische Lebenshilfe – ehrenamtlich – bieten:
Die Initiativen und Vereine erhalten hier beste Voraussetzungen für gemeinschaftliches und effektives Arbeiten entsprechend dem Zweck ihrer Organisationen.

2. Unterstützt durch das Clubhaus, organisieren die verschiedenen Initiativen und Vereine miteinander:
a) solidarische Nothilfe, z.B. für Flüchtlinge und bei Extremwetterereignissen, sowie
b) Projekte etwa im Kontext Klima-Wandel, Verringerung des Artensterben u.a.m.

Auch Mitbürger:innen, die in keiner der Clubhaus-Organisationen angehören, sind als Mitwirkende willkommen.

3. Zusammen mit den Mitgliedsvereinen und -initiativen wird das Clubhaus vielfältige Veranstaltungen und Ereignisse präsentieren, die die Bevölkerung anziehen und sie regelmäßig in Kontakt mit den Vereinen und Initiativen bringen.

Foto: Matthias Kessler_Südwestpresse Ulm

Früher Donau-Casino Neu-Ulm – künftig Clubhaus der Zivilgesellschaft?
Veranlasst und beauftragt durch die FWG Neu-Ulm, hat das Forum für Entwerfen modellhaft dargestellt, wie mit Gebäude und Gelände des ehemaligen Donau-Casino ein Clubhaus der Zivilgesellschaft realisiert werden könnte.
Die zentralen Funktionen des Clubhaus werden den drei Etagen des Hauses zugeordnet:

_ Das Erdgeschoss und der Außenbereich sind dem Kontakt und Dialog mit der Öffentlichkeit gewidmet. Hier werden die Vereine und Initiativen und ihre Aktivitäten vorgestellt. Hier befinden sich die Gastronomie mit Bistro und Bar, Vortragssäle und die Bühne für Kulturveranstaltungen u.a.m..

_ Das 1. OG bildet den eigentlichen „Produktionsraum“ des Clubhaus. Hier sind die Maker-Spaces und Kooperationsräume der Initiativen und Vereine, zusammen mit dem Service Desk für die Mitgliedsorganisationen.
Auf derselben Ebene befindet sich zudem das Center für Partizipationsprojekte zu Nothilfe und Klima-Wandel. An diesen Teilhabe-Projekten können auch externe Personen und Gruppen mitwirken.

_ Im 2. OG sind die Einrichtungen zur Beratung von Bürger:innen sowie von potenziellen Kooperationspartnern und Fördereinrichtungen.
In der angegliederten Shared Space Zone können Initiativen und Vereine, die keine eigenen Geschäftsräume haben, ihr Büro zur gelegentlichen Nutzung einrichten. 
Auf Wunsch erhalten sie vor Ort fachliche Unterstützung, zum Beispiel in Fragen der IT und des Vereinsrechts, im dem Management von Events und in der Mitgliederwerbung.

Impuls-Modell für Partizipation und Realisierung
Den Adaptionsentwurf hat das Forum für Entwerfen in ein Impuls-Modell weiterentwickelt. Das Modell macht die Umwandlung des Donau-Casinos in ein Clubhaus der Zivilgesellschaft für Neu-Ulm anschaulich. Es dient dem Dialog:
_ mit der Bevölkerung, mit Vereinen und Initiativen der Region
_ mit der Stadt, dem Stadtrat und der Stadtverwaltung sowie
_ mit potenziellen Realisierungspartnern

In die Entwicklung des Modells wurden zivilgesellschaftliche Organisationen einbezogen, so das KulturCasino Neu-Ulm e.V., das bedeutenden Anteil am Zustandekommen des Neu-Ulmer Konzept-Projekts hatte.

Günstige Voraussetzungen für eine wegweisende Lösung
Die Lage, mitten in der Stadt, nur wenige Hundert Meter vom Zentrum entfernt, signalisiert eine gewisse Relevanz; sie entspricht der Bedeutung der Zivilgesellschaft: Die demokratische Zivilgesellschaft ist, neben dem Staat und dem Markt / der Wirtschaft die dritte Kraft, die auf Augenhöhe die Gesellschaft mit formt.

Das Gebäude ist kein profaner Zweckbau, der sich unauffällig für jedwede Nutzung eignen will. Die Architektur vermittelt soziale Bedeutung und Rang – diskret und unpathetisch, leicht, souverän.
Das parkähnliche Umfeld des Hauses mit dem alten Baumbestand und der gelassen fließende Donau, an die das Gelände grenzt, wecken das Gefühl, dass Menschen gern hierher kommen. Sie sind nicht von schlichten Pflichten gedrängt, sondern von Wohlgefühl angezogen, sie sind hier um sich zu öffnen, Entspannung zu finden, um sich unbeschwert etwas zu widmen.

Im Vordergrund der Wahrnehmung des Publikums werden praktische, stimmungsvolle Eindrücke stehen. Der Biergarten zum Beispiel, in dem sonniges Licht und heitere Menschen sich stimmig zusammenfinden.

Die Menschen genießen den herrlichen Biergarten.
Grundriss des Gebäudes und der Grünflächen.

Die Grünflächen, man sieht schon den Kinderspielplatz vor sich, fürsorglich betreut, damit Eltern ohne Sorge im Clubhaus ihren Aufgaben nachgehen können. Flohmärkte und Feste, passend zu den Jahreszeiten. Stehgreiftheater, Open Air Konzerte. Man kommt, auch um miteinander Atem holen, sich näher zu kommen, an Verbundenheit zu erfreuen.


Das ist ein exzellenter Rahmen, um im Clubhaus der Zivilgesellschaft zu arbeiten, zusätzliche Aufgaben auf sich zu nehmen. Für gar keinen oder einen sehr geringen Lohn.

Wenn das Areal Paulstraße 4 dem ehrenamtlichen Engagement übergeben würde, wäre das eine markante soziale Anerkennung für die Engagierten. Die Bevölkerung würde diesen Akt als Aufforderung zu Respekt verstehen.

Kraftvolle Signale stärken Soziale Nachhaltigkeit.

Aspekte der Finanzierung
Als zivilgesellschaftliche Einrichtung muss das Clubhaus der Zivilgesellschaft noch vor seiner Gründung eine Existenz sichernde Basis aufbauen, die das Risiko der Abhängig von z.B. politischen Parteien oder gewinnorientierten Unternehmen gering hält.

Dazu ist voraussichtlich die Einrichtung einer rechtsfähige, auf unbegrenzte Zeit angelegte operative Stiftung erforderlich, die dem Gemeinwohl gewidmet ist.

Der Aufbau des Stiftungskapitals wäre nur mit wesentlichen Beiträgen der Stadt möglich. Neu-Ulm sollte die Immobilie Paulstraße 4 in die „Stiftung Clubhaus der Zivilgesellschaft Neu-Ulm“ einbringen. Damit wäre auch ihr Sitz und dauerhaftes Stimmrecht im Stiftungsrat verbunden.

Die Stadt sollte auch die Sanierung mit einer Initial-Finanzierung in Bewegung bringen. An dieser Stelle müsste jedoch schon die Mitwirkung anderer Kapitalgeber einsetzen, und bald dominieren. Zur Finanzierung kommen öffentliche Mittel u.a. seitens der EU, die Förderung durch größere gemeinnützige Stiftungen sowie Unternehmen in Frage.
Die Ko-Finanzierung durch Bürgerstiftungen und private Spenden ist finanztechnisch notwendig und als Zeichen des bürgerschaftlichen Interesses besonders bedeutend.

Die langfristige Sicherung der Betriebskosten muss weitgehend ohne Finanzierungshilfe der Stadt gelingen.

Das ehemalige Donau-Casino in Neu-Ulm ist in keinem guten Zustand. Eine Experten-Schätzung in 2019 prognostizierte Sanierungskosten in Höhe von rund 5 Mio. Euro; inzwischen werden deutlich höhere Beträge genannt.

Aufwendungen in diesen Größenordnungen fallen allerdings auch bei jeder anderen Nutzungsform an.
Bei Alternativen zum Clubhaus wird entscheidend sein, wer die Belastungen übernimmt – und ob der Nutzen für die Stadt, die Region und ihre Bürger ähnlich groß sein wird wie beim Clubhaus der Zivilgesellschaft.

Roland Prießnitz, Christina Richtmann, Dr. Andreas Schuler und Benjamin Gasser, haben die Überzeugung der FWG-Fraktion in Neu-Ulm dokumentiert.

Zukunft und Zivilgesellschaft
Klima-Wandel, De-Globalisierung und Pandemien setzen sowohl Politik als auch Wirtschaft und die Zivilgesellschaft unter Druck. Das Verhalten der Bürger:innen kann – z.B. durch Veränderung der Konsumgewohnheiten u.a.m. – zukunftsentscheidend werden. Soziale Nachhaltigkeit zu erhöhen, ist deshalb eine wesentliche Intention des Clubhaus der Zivilgesellschaft.

Die Bürger:innen müssen erleben, dass sie als Gemeinschaft nennenswert Einfluss auf die Zukunft nehmen können. Das Gefühl von Ohnmacht lähmt. Die emotionale Belastbarkeit sinkt, persönliche Fähigkeiten sind nicht mehr verfügbar. Not-Narzissmus schwillt an, macht einzelgängerisch und untergräbt das Gemeinschaftsleben.

Im Engagement miteinander trainieren Bürgerinnen und Bürger ihre Fähigkeit, überpersönliche Ziele partizipativ zu klären. In der – von ihnen selbst organisierten – Umsetzung als Freiwillige stärken sie ihre Handlungsfähig als Kollektiv. Sie fördern ihr Selbstvertrauen durch Engagement, und festigen ihre Identifikation mit der Gemeinschaft.

In den vielfältigen Vereinen und Initiativen des zivilgesellschaftlichen Engagements wird dies alltäglich praktiziert. Hier gibt es Aktionsstrukturen, gewisse Prozess-Routinen und die Bereitschaft zu respektvoller freiwilliger Zusammenarbeit schon.

Pilot-Projekt für Soziale Nachhaltigkeit gerade mit dieser Bevölkerungsgruppe zu starten, drängt sich auf. Die Akteur:innen leben Wesentliches vor. Sie sind in allen Regionen bestens vernetzt, und sie haben eine große Reichweite in der Gesellschaft.
Wer wäre geeigneter, als Impulsgeber den soziale Zusammenhalt zu stärken und die Zivilgesellschaft zu fördern?

FfE / R. Habich

Grundriss Erdgeschoss, Illustration: Lioba Geggerle